Nachwuchshoffnung
Neue Baumarten fördern die Vielfalt
Andreas Ludwig, Leiter des Pflanzgartens in Laufen, zieht die Zukunft unserer Wälder heran. Neben selten gewordenen heimischen Bäumen wachsen bei ihm auch Arten aus Regionen, in denen es schon heute so warm ist wie bei uns in 50 oder 100 Jahren.
Die Zukunft der bayerischen Wälder
Die trockenen Sommer 2018 und 2019 haben vielen Bäumen, aber vor allem den Fichten schwer zugesetzt. Die Klimaerwärmung ist unübersehbar: Die Vegetationszeit beginnt früher und hört später auf, der Borkenkäfer, der die Höhe früher mied, breitet sich plötzlich auch im Gebirge aus. Die anfälligen Monokulturen, angepflanzt nach dem Zweiten Weltkrieg, in einer anderen Epoche mit anderen Nöten, haben ausgedient. Der Wald der Zukunft braucht neue Bäume, oder wie Ludwig es nennt: wärmeliebende Waldgesellschaften. Im Pflanzgarten Laufen wächst die Zukunft der bayerischen Wälder heran: 3,5 Millionen Bäumchen, die jüngsten gerade erst gepflanzt, die ältesten vier Jahre alt.
„Der Wald lebt, wie die ganze Evolution, von der genetischen Vielfalt“, sagt Ludwig. Die Bayerischen Staatsforsten haben daher das 4-Baum-Konzept entwickelt: Zukünftig sollen in jedem Wald mindestens vier verschiedene Baumarten wachsen, drei davon müssen klimatolerant sein. Welche Arten geeignet sind, fassen die neuen „Richtlinien zur Baumartenwahl“ zusammen. Darin wurden 100 Baumarten analysiert und nach ihrer Anbauwürdigkeit kategorisiert. Empfohlen werden neben seltenen heimischen Arten auch heimische Arten alternativer Herkunft und nicht heimische Arten.
Klimatolerante Bäume & Biodiversität
Im Pflanzgarten bleibt Ludwig vor einer Reihe filigraner Bäumchen mit schimmernden Blättern stehen: einjährige Elsbeeren, eine heimische Art, die selten geworden ist in unseren Wäldern. Man sieht den zarten Pflänzchen nicht an, was eines Tages aus ihnen werden wird: robuste, klimatolerante Bäume, von Bienen und anderen Insekten bevölkert, mit einem Wurzelsystem, das auch Nachbarbäume stabilisiert. Elsbeeren fügen sich perfekt in eine Waldgesellschaft ein, „und sie liefern wertvolles Bauholz“, sagt Ludwig. Auch Arten wie Spitzahorn, Flatterulme oder Speierling wird man bald wieder häufiger in bayerischen Wäldern sehen.
Andere heimische Bäume sucht man nun vermehrt jenseits der Grenzen Bayerns und Deutschlands. In Rumänien zum Beispiel wächst eine alte Bekannte: die Weißtanne. Durch ihre tiefreichenden Wurzeln ist sie weniger trockenheitsanfällig und sturmfester als die Fichte, ein Hoffnungsträger im Klimawandel. Doch während die ersten der bayerischen Tannen unter der Hitze zu leiden beginnen, kommen ihre rumänischen Artgenossen gut damit zurecht.
40 Meter hoch & zwei Meter Stammumfang
Im Herbst 2020 starteten die Bayerischen Staatsforsten in Zusammenarbeit mit dem Amt für Waldgenetik (AWG) und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) sogenannte Praxisanbauversuche: Diese Testpflanzungen auf kleineren Flächen der Forstbetriebe sollen zeigen, wie sich bestimmte, wissenschaftlich erprobte Arten integrieren lassen. Dabei werden die Bäume, der Boden und die Umgebung regelmäßig untersucht – weniger präzise und detailliert als bei den wissenschaftlichen Versuchen des AWG, dafür aber in größerer Zahl und unter den Realbedingungen eines Wirtschaftswaldes. Im Fokus stehen dabei neben der rumänischen Weißtanne vor allem zwei nicht heimische Baumarten, die zu neuen „Brotbäumen“ der Waldwirtschaft werden könnten: die Atlaszeder und die Libanonzeder.
11.000 Zedernsetzlinge für Anbauversuche wachsen im Pflanzgarten Laufen. Wenn sie so gedeihen wie in ihrer Heimat, werden die größten einmal 40 Meter hoch sein, ihr Stamm wird einen Umfang von zwei Metern haben. Die Arten stammen aus Regionen, in denen das Klima schon länger so ist, wie es bei uns in 50 oder 100 Jahren werden könnte: aus dem nordafrikanische Atlasgebirge beziehungsweise aus dem türkischen Bolugebirge. Schon heute sind sie weit verbreitet, die Libanonzeder entlang der östlichen Mittelmeerküste, die Atlaszeder bis nach Mitteleuropa. In Frankreich bewährt sich der Baum seit fast 200 Jahren.
Herkunftssicherheit hat seinen Preis
Die kleinen Zedern sind wie alle Bäumchen hier etikettiert, ihre Herkunft lässt sich nachverfolgen. Die „2035 Cedrus atlantica“ stammt aus einer Pflanzung in Frankreich, die „2031 Cedrus libani“ aus einem Anbaugebiet in der Türkei – so zumindest steht es in den Akten. Anders als bei heimischen Arten ist es jedoch schwer, die Herkunft zweifelsfrei zu überprüfen. „Wir haben den Nachweis nicht genetisch, nur auf Papier“, sagt Ludwig. Herkunftssicheres Saatgut ist teuer – und wo viel Geld fließt, lauert Betrug. Weil Praxisanbauversuche aber nur sinnvoll sind, wenn man weiß, woher genau die Bäume stammen, werden Mitarbeiter von den Bayerischen Staatsforsten und dem Amt für Waldgenetik in Zukunft häufiger in die Ferne reisen, Ernten begleiten, Knospen abzwicken und genetische Proben nehmen, die sie später mit dem gelieferten Saatgut vergleichen. „Wenn wir professionell vorgehen“, sagt Ludwig, „werden wir auch in den nächsten Generationen einen ertragreichen Wald haben.“
Trial & Error
Für strikte Gegner nicht heimischer Bäume, die sich vor unerwünschter Ausbreitung fürchten, hat Ludwig nur begrenztes Verständnis. „Die Natur baut auf Trial and Error“, sagt er. „Solange die Arten nicht invasiv sind oder Schädlinge einschleppen, können sie die Vielfalt fördern.“ Die Musterbeispiele gelungener Integration stehen gleich neben den jungen Zedern: Douglasien, robuste Zweijährige, die schon weit übers Knie reichen. Bereits 1881, zur Zeit der ersten Wetteraufzeichnungen, gab es in Bayern die ersten systematischen Anbauversuche; mittlerweile hat sich die Douglasie so gut in das heimische Ökosystem eingefügt, dass viele sie als heimischen Baum wahrnehmen.
Am Ende, sagt Ludwig, setze sich nur durch, wer widerstandsfähig und zugleich angepasst ist – auch in der Evolution eines Wirtschaftswaldes.
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