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300 Jahre Nachhaltigkeit

Als vor 300 Jahren Hans Carl von Carlowitz den Begriff der „Nachhaltigkeit“ in der Sylvicultura oeconomica erstmals prägte, hätte er sich sicher nicht träumen lassen, welch omnipräsente Verwendung und Bedeutung diese Wortneuschöpfung als kollektiver Hoffnungsbegriff im 21. Jahrhundert erlangen würde. Wann immer jemand betonen will, dass er „verantwortungsvoll“, „langfristig“ und „weitsichtig“ denkt und handelt, (miss)braucht er den Begriff der Nachhaltigkeit, der so mehr und mehr zu einer Worthülse verkommt. Was auch immer „Nachhaltigkeit“ für den Einzelnen bedeuten mag, in einem sind sich alle einig: Nachhaltigkeit ist etwas Gutes! Im Grunde genommen stimmt das auch, bedeutet es doch nichts anderes als: Wirtschafte mit dem dir anvertrauten Gut so rücksichtsvoll, dass auch deine Nachkommen noch im gleichen Maße Nutzen daraus ziehen können.

Die Bayerischen Staatsforsten haben sich einer umfassenden Nachhaltigkeit verschrieben, das Leitbild „nachhaltig wirtschaften“ setzen wir in unserer täglichen Arbeit konsequent um. Dabei sehen wir uns mit Fug und Recht in bester Carlowitz‘scher Tradition: Zum einen ernten wir nicht nur höchstens so viel Holz, wie auf Dauer nachwächst, sondern haben zudem die Nachhaltigkeit um weitere qualitative Dimensionen ergänzt. So zielt die integrative, naturnahe Forstwirtschaft, wie sie im bayerischen Staatswald praktiziert wird, auf einen Ausgleich der verschiedenen und zum Teil widerstreitenden gesellschaftlichen Ansprüche. Dafür setzen wir beispielsweise auf eine konsequente Pflege sowie langfristige und kleinflächige Verjüngung der uns anvertrauten Wälder und nutzen dabei überwiegend deren natürliche Verjüngungskraft. Auf Kahlschläge verzichten wir ganz. Zur Erhaltung und Erhöhung der Artenvielfalt belassen und schützen wir dauerhaft Biotopbäume und erhöhen den Totholzvorrat als elementare Strukturmerkmale für Biodiversität im Wald. Nicht zuletzt schaffen und erhalten wir mit dieser Wirtschaftsweise gleichzeitig einen attraktiven Raum für Erholungssuchende. Im Umkehrschluss könnte man daher auch sagen: Nur durch eine integrative und naturnahe Forstwirtschaft auf ganzer Fläche lassen sich Nutzen und Schützen unserer Wälder im besten Sinne – eben nachhaltig – miteinander vereinen.

Im Grunde ist die Nachhaltigkeit eine relativ einfache Idee. Theoretisch zumindest. Praktisch ist das Ganze nicht ganz so einfach. Das ist eine Erfahrung aus den letzten 300 Jahren Forstwirtschaft. Denn eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, wie wir sie heute praktizieren, erfordert fundierte und laufende Beobachtung, Planung, Abstimmung von zum Teil widerstreitenden Zielen sowie eiserne Disziplin und Konsequenz bei jeder einzelnen Entscheidung. Damit wir letztlich die Wälder in (zumindest!) der Qualität an unsere Nachfolger weitergeben können, wie wir sie einst übernommen haben. Der Verdienst von Hans Carl von Carlowitz, der diesen im Laufe der Zeit immer mehr präzisierten Anspruch erstmals in einem Begriff verdichtete und der heute das Potenzial zu einem epochalen Leitbegriff hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Hans Carl von Carlowitz hat mit der „Nachhaltigkeit“ nicht nur ein kulturelles bzw. gesellschaftliches Leitbild geschaffen, sondern uns eine Geisteshaltung mit auf den Weg gegeben, die uns in unserem täglichen Tun als grundlegende Richtschnur dient.