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Der Luchs ist zurück im Frankenwald

In der Fotofalle: In diesem Jahr gelang der dritte Luchsnachweis im Frankenwald

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Seit dem Jahr 2017 gibt es gesicherte Nachweise über eine andauernde Anwesenheit von Europäischen Luchsen (Lynx lynx L.) im Frankenwald. Der Forstbetrieb Rothenkirchen der Bayerischen Staatsforsten konnte jetzt mit Unterstützung des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) anhand von bestätigten Sichtungen, Wildkamerabildern und genetischen Spuren die einzelnen Phasen der Rückkehr dokumentieren. Dabei ging es manchmal fast kriminaltechnisch zu.

Im Frühjahr 2020 lebten in Bayern laut Dokumentation des LfU 49 Luchse einschließlich 17 Jungtiere. Wie in mehreren Mittelgebirgen Deutschlands ist Europas größte wildlebende Katze auch in Bayern dabei, in ihre früheren Lebensräume zurückzukehren. Die zwei größeren deutschen Teilpopulationen im Harz und im Bayerisch-Böhmischen Wald können dabei als Ausgangspunkte dienen. Nach Aussage des LfU spielen die nordbayerischen Waldgebiete dabei eine wichtige Rolle als Ausbreitungsachsen auch in andere deutsche Mittelgebirge wie Erzgebirge und Thüringer Wald.

Doch wie lange war der Luchs im Frankenwald eigentlich abwesend? Bis weit in das 17. Jahrhundert hinein war sein Vorkommen wohl eine Normalität, sicher von Jägern und Viehhaltern nicht immer gern gesehen. Es wurden „Jagden auf Luchse und Wölfe“ auch überörtlich durchgeführt, ohne dass Nachweise über Jagdstrecken aus dieser Zeit erhalten geblieben sind. Laut Unterlagen des Staatsarchivs Bamberg wird in den Forstrechnungen des Forstamtes Kronach aus dem Jahr 1642 – neben anderem Wild – auch die Erlegung eines Luchses im Frankenwald verzeichnet. Der vielzitierte „letzte Luchs“ (wohl seine Erlegung) wird für den Frankenwald auf das Jahr 1730 datiert. Endgültig aber war der Abschied des Luchses zum Glück nicht. Die faszinierende Großkatze scheint sich den Frankenwald gerade als angestammte Heimat zurückzuerobern.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland und auch in angrenzenden Staaten immer wieder einzelne Versuche, durch Wiederansiedlungsaktionen den Luchs wieder heimisch zu machen, so in den 1970er Jahre und 1980er Jahren im Bayerischen Wald und im Böhmerwald und später im Harz, wo nach 2000 in einem Wiedereinbürgerungsprojekt 24 Luchse ausgesetzt wurden. Über möglicherweise illegale zusätzliche Aussetzungen wird oft spekuliert - immer wenn dem Luchs seine unzweifelhafte Fähigkeit abgesprochen wird, sich über weite Strecken neues Territorium zu erschließen. Eine Wanderschaft, die auf der anderen Seite dem Rotwild, dem Elch und auch dem Wolf auf geheimnisumwitterten „uralten Fernwechseln“ jederzeit zugetraut wird. Erste Hinweise auf eine Rückkehr in den Frankenwald gibt es etwa seit der letzten Jahrhundertwende.  Dazu zählen Sichtbeobachtungen bei Steinbach am Wald (2003), Wallenfels (2009) und Teuschnitz (2011). Aus dem Jahr 2008 stammt dann das erste Luchsbild einer Fotofalle aus der Nähe von Presseck. Bis 2017 lagen danach keine Nachweise eines Luchsvorkommens im Frankenwald mehr vor.

Im Jahr 2017 wurde der Frankenwald mit dem Titel „Waldgebiet des Jahres“ ausgezeichnet. Dieses vom Bund Deutscher Forstleute vergebene Prädikat würdigt unter anderem auch die Eignung einer Waldlandschaft als Lebensraum seltener Arten. Zu dieser Auszeichnung passend gab es dann im Juni 2017 bei Tschirn die bestätigte Beobachtung eines Luchses. Das war der Erste einer dichten Folge durchgehender Luchsnachweise im Frankenwald über die nächsten drei Jahre bis heute. Im Juli 2017 ließ sich nördlich der Ködeltalsperre ein starker Luchs bei bestem Büchsenlicht von einer Jägerin auf dem Abendansitz fotografieren. In den kommenden Wochen wurde wahrscheinlich dasselbe Tier im Staatswaldrevier Ködel zwischen Tschirn, Nordhalben und Steinwiesen mehrfach gesehen und fotografiert. Sein brauner Rücken ließ die Experten auf eine Herkunft aus der Luchspopulation im Harz schließen.

Im Herbst 2017 gab es dann auch die ersten DNA-Nachweise eines Luchses im Frankenwald: Speichelproben an Beuteresten (sogenannte „Risse“) bei Neuengrün und bei Wallenfels wurden im Labor genetisch untersucht. Laut Datenbank der LfU stimmten sie mit einem männlichen Luchs („Kuder“ in der Jägersprache) überein, der zuletzt im November 2016 in Wieda im Harz genetisch nachgewiesen wurde. Aufgrund der relativ geringen Entfernung von rund 10 Kilometern zwischen den Rissen und den Bildnachweisen des „Braunrückigen“ im Forstrevier Ködel gingen die Forstleute des Forstbetriebs Rothenkirchen davon aus, dass es sich hier wohl um das gleiche Tier handelte: Einen ersten Zuwanderer aus dem Harz.

Im Herbst 2018 gab es dann Nachweise eines weiteren Luchses, der eindeutig identifizierbar war: Westlich und südlich von Tschirn tappte ein geflecktes Exemplar zweimal in die Fotofalle. Da der neue Zuwanderer offensichtlich überhaupt nicht kamerascheu war, kamen in den nächsten Monaten vor allem nördlich der Ködeltalsperre zahlreiche weitere Bilder hinzu, auf denen er auch sein Geschlecht verriet: Ebenfalls ein Kuder. Auch jetzt kam wieder der „Erkennungsdienst“ der Luchsexperten vom LfU zum Einsatz. Ihnen liegt aus gespeicherten Bildern seit 2008 inzwischen ein entsprechend großes Archiv an individuell unterschiedlichen Fleckenmustern vor, mit denen sich die Tiere gut unterscheiden lassen. Und jetzt bestätigte sich, was aufgrund der gefleckten Fellfärbung bereits vermutet wurde: Diesmal handelt es sich um einen Luchs aus dem Bayerischen Wald. Dort bekannt als B55, genannt „Bartl“, war er zwischen Januar 2017 und Juni 2018 im Bayerischen Wald wiederholt dokumentiert worden, bevor er sich offenbar dann im Sommer 2018 auf seine Wanderschaft in den Frankenwald machte. Eine Reise von rund 190 Kilometer (Luftlinie!), die er in etwas mehr als zwei Monaten zurückgelegt hat.

Bis heute ist „Bartl“ im Frankenwald mit über 30 Einzelnachweisen dokumentiert. Zunächst blieb er in der Nähe von Tschirn bis zur Ködeltalsperre und wurde im April 2020 dann auch bei Pressig bestätigt. Das entspricht einem „Streifgebiet“ von rund 150 Quadratkilometern. Im März 2020 wurde dann bei Kleintettau wieder ein starker „Braunrücken“ auf der Wildkamera festgehalten. Der „Harzluchs“ aus dem Jahr 2017, der seitdem abwesend war oder sich verborgen gehalten hat? Im Mai 2020 kam dann völlig unerwartet ein weiterer Luchs dazu: Östlich von Wallenfels filmte ein Jagdgast mit der Handykamera einen schlanken, ebenfalls braunrückigen Luchs im Staatswald des Forstbetriebes Nordhalben. Damit waren im Frühjahr 2020 das erste Mal drei verschiedene Luchse gleichzeitig im Frankenwald nachweislich dokumentiert.

Für den Forstbetrieb Rothenkirchen der Bayerischen Staatsforsten ist die Rückkehr des Luchses ein weiterer Hinweis auf die große Bedeutung des Frankenwaldes als Rückzugsraum für seltene und bedrohte Arten. Als Rückkehrer steht der Luchs in einer Reihe mit anderen „prominenten“ Tierarten, die stellvertretend für ganze Lebensgemeinschaften stehen und die hier inzwischen erfolgreich ihre Heimat gefunden haben. Der Schwarzstorch ist seit den 1980er Jahren als Brutvogel zurück und hatte es seitdem zur wohl größten Brutdichte in Deutschland gebracht, bevor er leider aktuell als Folge des Klimawandels unter Horstbaumverlusten und ausgetrockneten Nahrungsbächen leidet. Etwa zeitgleich mit dem Luchs wurde die Europäische Wildkatze erstmals wieder im Frankenwald beobachtet. In den Jahren 2014 und 2015 konnte anhand eines gezielten Monitorings der Bayerischen Staatsforsten eine größere Wildkatzenpopulation im Bereich des Rodachtales und der Ködeltalsperre und dann 2018 und 2019 auch einzelne Tiere in den Hochlagen des Frankenwaldes am Rennsteig nachgewiesen werden. Anders als der Schwarzstorch scheint die wärmeliebende Wildkatze von den Folgen des Klimawandels und den künftig deutlich veränderten Waldstrukturen eher zu profitieren. Genauso sollte die Rückkehr der Luchse Mut für die Zukunft machen: Der Frankenwald ist als Lebensraum für den Luchs immer noch – oder wieder -  geeignet. Er wird ihn nutzen, und wir als Gesellschaft sollten das fördern.

Der Text ist die Kurzfassung eines wissenschaftlichen Beitrags:

Hagemann, Kelle, Wölfl: Der Luchs ist zurück im Frankenwald; Forstliche Forschungsberichte Nr. 218, München 2020.