Fette Jahre
Wenn Mann von den Anfechtungen und Vorwürfen seiner missgünstigen Umgebung tief getroffen ist, dann reckt er sich für gewöhnlich empor und verkündet in der sonorsten Tonlage, derer er fähig ist: „Was kümmert es die deutsche Eiche, wenn sich die Schweine an ihr reiben“.
Ein klassischer Schuss nach hinten. Denn kaum ein Baum hat eine innigere Beziehung zum Schweinischen als ausgerechnet die Gattung „Quercus“, deren Eicheln und Eichenlaub in alten Zeiten hehre männliche Orden und Rangabzeichen zierten.
Die Schweine, klug wie sie sind, reiben sich aber nicht nur an der tiefgefurchten Rinde, weil sie so schöne kratzt, sondern weil in deren Nähe die überaus nahrhaften Nussfrüchte zu finden sind, eben jene Eicheln mit Stärke, Eiweiß und Fett. Reichlich genossen, geben sie dem Schweinefleisch eine ganz besondere Würze und Festigkeit. Dazu aber dann ein andermal mehr.
Eicheln sind nicht nur eine herzhafte Nahrung für Schweine, sondern - mit Försteraugen betrachtet – ein hervorragendes Saatgut. Denn die Eiche ist einer der Zukunftsbäume in Bayern. Auf ihren starken Ästen lastet der Druck, dem Klimawandel standhalten zu müssen. „Wer ko, der ko“, die intellektuelle Variante des gelegentlich etwas stiernackigen „Mia san Mia“, meint man in der furchigen Rinde der Eiche zu lesen, denn sie reagiert auf Temperaturschwankung oder unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten robust und relativ gleichgültig. Alles in Maßen natürlich, denn irgendwann wird es natürlich auch der Eiche zu viel.
Der Auftrag der Evolution und der Förster an die Eiche ist also: Wachse und mehre Dich. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn Eichensaaten sind aufwändig. In diesem Jahr ist jedenfalls genügend Ausgangsmaterial vorhanden, denn 2011 ist ein Mastjahr, also ein Jahr, in dem die Eichen besonders viele Eicheln produzieren. Mastjahre sind nicht planbar und kommen unregelmäßig. Für die Bäume sind diese Jahre wichtig, denn es werden mehr Eicheln produziert als von Fressfeinden verzehrt werden können. Die nicht gefressenen Eicheln gelangen in den Boden und können später keimen. Förster sprechen von der „Naturverjüngung“, der für die Stabilität der Bäume am besten und gleichzeitig günstigsten Art, wie sich Wälder erneuern. Der Nachteil dabei ist: nicht jede Eichel fällt genau an der idealen Stelle auf den Boden. Vor allem in Mastjahren sind deswegen von unseren Förstern beauftragte Sammler unterwegs, um der begehrten Nüsse habhaft zu werden.
Die Bayerischen Staatsforsten verfügen über rund 550 Stiel- und Traubeneichenbestände, die zur Saatgutgewinnung zugelassen sind. Um die Qualität der gesammelten Eicheln zu sichern, werden eine ganze Reihe von Vorgaben z.B. aus dem Bayerischen Waldgesetz, aus dem Forstlichen Vermehrungsgesetz oder der Waldzertifizierungsstelle PEFC angewendet. Ein Großteil der gesammelten Eicheln wird auf Flächen der Bayerischen Staatsforsten ausgebracht, der Rest an Saatguthändler verkauft, auf dass die Eiche ihren Anteil allen Waldbesitzarten ausbaue und ihre Beitrag zu stabilen Mischwäldern leiste.
Nach der Ernte kommt – nicht ganz überraschend - die Saat. Der Boden der zukünftigen Pflanzfläche muss vorbereitet werden, damit möglichst viele der Eicheln ihre ersten Zentimeter auf dem Weg zum Zukunftsbaum zurücklegen können. Beim Was, Wann und Wie der Bodenvorbereitung kommen dann wieder unsere Förster und Waldbauexperten ins Spiel. Sie haben das nötige Fachwissen und vor allem viel Erfahrung. Aber selbst, wenn die Eicheln schließlich fachmännisch unter die Erde gebracht wurden, ist der Weg in eine erfolgreiche Zukunft keineswegs gesichert. Ehe die Eiche ihr breites Kreuz zur Entfaltung bringen kann, muss noch die eine oder andere Bedrohung überstehen. So richtig „aus dem Schneider“ sind die jungen Eichen eigentlich erst, wenn sie – wie der Jäger sagt - auch „aus dem Äser“ sind, d.h. wenn sie so groß sind, dass ihre Spitzen nicht mehr von Rehen oder Hirschen verbissen werden können.
Vorher sind vor allem Wildschweine ein erhebliches Risiko für Eichelsaaten. Den Tieren genügt eine einzige Nacht, um sich kräftig den Wanst vollzuschlagen und eine Saatfläche vollkommen zu entwerten. Insofern mag es zwar die Eiche wenig kümmern, wenn sich Schweine an ihr reiben. Dem Förster ist das schweinische Treiben sicher nicht egal.