„Grüner Friede“ im Buchenwald
Herr Professor Suda, Frau Höhensteiger, wie ist denn Ihrer Meinung nach Greenpeace auf den Spessart und die Buchen gekommen?
Die Kampagne beginnt bereits im April 2011. Greenpeace veröffentlichte eine Karte mit einem Buchenwald-Verbundsystem. Es werden mehrere Naturschutzsymbole miteinander verwoben. Es geht um Großschutzgebiete, Vernetzung und Trittsteine. Hier bildet der Spessart ein mögliches Schutzgebiet. Warum Greenpeace den Spessart gewählt hat, wissen wir nicht. Mögliche Gründe sind:
- Der Spessart ist mit vielen Sagen aufgeladen und daher bekannt
- Bayern hat eine klare Trennung zwischen Verwaltung und Unternehmen vorgenommen. Die BaySF bietet durch den Vorstand, der nur aus zwei Personen besteht, einen klaren Fokus für eine Kampagne.
- Der Steigerwald war bereits aufgeladen, so dass sich der Spessart in der Nachbarschaft anbot.
Analysiert man die Dokumente, findet man die Antwort auf die Buchenfrage. „Deutschland hat eine besondere Verantwortung für die Buchenwälder in Europa und ist Kern des natürlichen Verbreitungsgebietes“. Die Buche wird im Allgemeinen als die „Mutter des Waldes“ bezeichnet, was diese Baumart entsprechend symbolisch auflädt.
In welchen Phasen ist denn die Kampagne abgelaufen?
Die Phasen lassen sich gut in ein kommunikationswissenschaftliches Modell der Themenkarriere einordnen. In der Initialphase ging es eher um eine Inwertsetzung der Buchenwälder durch eine Betonung ihrer Besonderheiten. Zentrale Legitimation der Kampagne liefern die Begriffe: Unesco-Weltnaturerbe, Klimaschutz, Artenschutz und Biodiversität. Damit verbunden wurde in der Aufschwungphase die Forderung nach einem Einschlagstopp. Mit dem Waldcamp wird eine neue Phase der Thematisierung eröffnet. Es geht jetzt darum die Kampagne zu fokussieren. Der Ort war gewählt, der Gegner BaySF festgelegt. Frei nach dem Motto: „Je größer der Feind, desto größer der Held“.
Ging es anfangs nur um die Erhebung von Baumkoordinaten und Durchmessern, so standen jetzt plötzlich massive Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen im Vordergrund (Kahlschlag, Wegebau, Douglasie), die Greenpeace-Aktivisten trotz tiefer Temperaturen und Schneefall aufdeckten. Dabei wird der Eindruck vermittelt, dass die Aufsichtsbehörde offensichtlich versagt hat. Auch wird klar, warum die BaySF keine Daten liefert. Sie hat etwas zu verbergen, es geht nicht mit rechten Dingen zu. Holz wird illegal eingeschlagen und zu Brennholzpreisen nach China exportiert. Es geht nur um Geld und das „Buchennaturwalderbe von internationaler Bedeutung“ wird durch Profitgier zum „Industrieforst“. Offensichtlich hat die „Kampagnensprache“ das Ziel verfehlt, da Assoziationen (Illegaler Einschlag, Export ins Ausland) eher in den Regenwald und weniger in die Bayerischen Wälder führen – eine typische Sackgasse. Zur Überbrückung der Zeit, werden die Inventurergebnisse vorgestellt. Mit der Douglasie wird der Zerstörer des ökologischen Gleichgewichts unserer alten Buchenwälder als neues Kampagnensymbol eingeführt.
Wie beurteilen Sie das Herausreißen der Douglasien?
Greenpeace würde sagen „durch Buche ersetzen“. Wahrscheinlich erfüllt dies den Tatbestand der Sachbeschädigung und hier treffen wir auf ein interessantes Phänomen. Es geht darum, auf wessen Seite die Moral steht. Junge, idealistische, aufopferungsbereite Menschen setzen sich für die Zukunft des Waldnaturerbes ein und überschreiten die rechtliche Grenze. Die gesellschaftliche Moral, wird diesen Rechtsverstoß akzeptieren, weil er einer „guten“ Sache dient. Bei der überwiegend ländlich geprägten Bevölkerung wird dieses Vorgehen eher zu Kopfschütteln führen.
Mit der Douglasienausstellung im Landwirtschaftsministerium in München findet die Kampagne ihren Höhepunkt. Hier ergeht ein klares Signal an die Aufsichtsbehörde, die in den Augen von Greenpeace versagt hat. Es ergeht eine Beschwerde an die EU, die feierlich überreicht wird. Aus der Perspektive der Logistik war die Douglasienaktion eine Meisterleistung.
In der Abschwungphase werden noch ein paar Experten herangezogen und symbolisch die BaySF-Zentrale erobert. Damit ist die Geschichte von Robin Hood und dem Sheriff von Regensburg erzählt. Jetzt wird nochmals die Meinung der Bevölkerung „gehört“ und die Kampagne als Erfolg gefeiert.
Lassen sich in der Kampagne bestimmt Strategien erkennen?
Wir haben folgende drei Aspekte entdeckt: Auf Argumente der Gegner wird in der Außenkommunikation nicht eingegangen. Das Thema wird kurzfristig und häufig geändert, was es der Gegenseite massiv erschwert, zeitnah zu reagieren. Die zentralen Symbole werden immer wieder aufgegriffen und wiederholt, was die Glaubwürdigkeit erhöht.
Wie haben Ihrer Meinung nach die Bayerischen Staatsforsten reagiert?
Bei dieser Strategie ist eine Gegendarstellung ausgesprochen schwierig und wird wohl eher in den Fachkreisen wahrgenommen. Die Argumentation der BaySF war bedacht und überwiegend sachlich rational. Den Behauptungen von Greenpeace wurden Zahlen und Fakten entgegengestellt. Das halten wir in dieser Phase durchaus für angemessen, da eine emotional aufgeladene Gegensymbolik, die Sympathien für die Kampagne eher vergrößern kann. Kampagnen zielen immer auf Extreme und ignorieren den Durchschnitt. Daher ist eine sachliche Auseinandersetzung massiv erschwert.
Wie interpretieren Sie den Kampagnenslogan?
Mit„Stoppt die Säge! Schütz unsere alten Buchenwälder“ werden eine ganze Reihe von Botschaften transportiert. Ein Schutz der alten Buchenwälder ist nur durch Nutzungsverzicht möglich. Es geht um „unsere“ Wälder, und daher trägt jeder Verantwortung. Der Zerstörungsprozess durch die Säge (Holznutzung) ist in vollem Gang und muss gestoppt werden.
Was hier in Frage gestellt wird, ist das integrative Konzept der forstlichen Nutzung von Wäldern. Diesem wird ein Modell der Trennung in Nutz- und Schutzwälder entgegengesetzt. Den integrativen Ansatz gilt es in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung als den besseren zu etablieren. Dies bedeutet aber sich von dem vorherrschenden Harmoniedenken zu verabschieden und zu erkennen, dass diese Integration immer mit Reibung und Konflikten verbunden ist.
Herr Professor Suda, Frau Höhensteiger, wir danken Ihnen für das Gespräch.