Kopflos für den Naturschutz
13.07.2018, Kempten – Auffallend sind sie nicht, die in den letzten Wochen bei Holzerntearbeiten „geköpften“ Bäume. Aber wer genau hinsieht, kann im Wirlinger Wald von Forstwegen aus da und dort eine Buche sehen, die in ca. 5 – 6 m Höhe vom Harvester gekappt wurde.
„Ich habe Bäume ausgesucht, die im sicheren Abstand zu Straßen stehen. Damit für Waldbesucher eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann, wenn der Baum einmal morsch wird“, begründet Revierleiter Markus König seine Auswahl. Er ist für den Staatswald im Wirlinger Wald verantwortlich. König weiter: „Der Stamm bleibt unbearbeitet stehen und auch die Krone lassen wir liegen. Da mag sich der ein oder andere wundern, da es sich doch um Baumexemplare handelt, die vom Durchmesser bei 40 cm und darüber liegen.“
Sonthofens Staatsforsten-Chef Jann Oetting erklärt: „Bei den Bayerischen Staatsforsten gibt es ein integratives Waldbewirtschaftungskonzept, das forstliche Nutzung sowie Naturschutz auf der gleichen Fläche vereint. Dort wo es wenig Biotope gibt, z.B. wenig Totholz, ist es Aufgabe der Förster, neben der Holzproduktion auch aktiv neue Biotope zu schaffen - wie hier mit den geköpften Buchen angehendes Totholz“. Im Zuge der natürlichen Zersetzung kann es von verschiedensten Arten besiedelt werden und ist somit ökologisch besonders wertvoll.
Solche Hölzer fand man in den Wirtschaftswäldern der Vergangenheit nicht allzu häufig. Sie waren auf schwer zu erreichende Gebiete beschränkt, in denen Individuen, die einen natürlichen Alterstod starben oder von Sturm oder Schnee umgeworfen oder gebrochen waren, vom Förster belassen wurden. „Insbesondere stehendes Totholz von Laubbäumen ist selten. Aber gerade stehendes Totholz ist ökologisch gesehen sehr wertvoll: Es bietet vielen Höhlenbrüter und Kleinsäugern in sicher Höhe eine geschützte Behausung. Auch eine große Zahl an Insekten verschiedenster Arten findet hier einen Lebensraum“, so nochmal König.
Wenn der Baum schließlich nach vielen Jahren zusammenbricht, ist seine Funktion noch lange nicht beendet. Die verschiedenen Zustände, in denen sich das Holz während seiner Zersetzung befindet, sind für viele rar gewordene Tiere, Pilze oder Moose Grundvoraussetzung zum Leben und Überleben. So wird durch eine eigentlich einfache Maßnahme Wald für Jahrzehnte mit wichtigem Lebensraum angereichert.
Um in den Staatswäldern das Angebot an Blühflächen und an Totholz als Lebensraum für die heimischen Insekten zu steigern, wurde das Projekt „Der Wald blüht auf“ ins Leben gerufen. „Dieses Naturschutzprojekt wird gefördert vom Freistaat Bayern, also der Bayerischen Forstverwaltung, aus Mitteln für besondere Naturschutzleistungen im Staatswald. Alle acht Reviere des Forstbetriebs Sonthofen beteiligen sich an der bayernweiten Aktion, allein Markus König in seinem Revier Buchenberg mit der Neuanlage von zwei Blühflächen und 17 hochgeköpften Bäumen“, freut sich Sonthofens Staatsforsten-Chef Jann Oetting.