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„Nur nicht so ein Gedöns machen.“

Der ehemalige Co-Star von Harald Schmidt

erzählt von seinem Hobby Wandern.

„NUR NICHT SO VIEL GEDÖNS
MACHEN“, MEINT MANUEL ANDRACK,
GEBÜRTIGER KÖLNER, WENN ES UMS
WANDERN GEHT. DER EINSTIGE SIDEKICK
VON HARALD SCHMIDT HAT SICH
FREI GELAUFEN UND BRINGT ERFRISCHENDE
ERKENNTNISSE VON EINEM
ERFREULICHEN BOOM IN WÄLDERN,
FELDERN UND GEBIRGEN MIT.

 

Herr Andrack, so wohlgemut wie Sie vor uns sitzen,
muss es auch ein Leben nach Harald Schmidt geben?

Ein Leben gab es auch schon während Harald Schmidt.Mein erstes Buch „Du musst wandern“ ist in der so genanntenKreativpause entstanden – als die Sendung von Sat.1zur ARD ging. Erschienen ist es Anfang 2005. Das Buch überFußball, das ich geschrieben habe und noch ein zweitesBuch übers Wandern, das lief alles parallel zur Tätigkeit mitHarald. Begünstigt allerdings dadurch, dass die Sendung nurnoch zweimal und zuletzt nur noch einmal die Woche lief. Dableibt Zeit genug, aus seinem Hobby ein Buch zu machen.  


Seit wann gibt es das Wandern als Hobby?

Seit über zehn Jahren. Um 1996/97 habe ich wieder angefangenzu wandern. Das waren bei mir immer so Lebensabschnitte.Als Kind wandert man mit den Eltern …


… und macht Waldspaziergänge!

Genau, jeden Sonntag Waldspaziergänge! Die ich immersehr gerne mitgemacht habe. Ich muss ein verhaltensgestörtes#Kind gewesen sein …

Gewöhnlich ist das ja für Kinder eher eine Tortur.

Das hört man ja von vielen, die früher von den Eltern zumWandern verurteilt wurden. Ich versuche, meinen Kindernauch mitzugeben, dass Wandern was Positives ist. Aberirgendwann – so um den 14. Geburtstag – verschiebensich die Prioritäten. Was ich gut verstehe: Wer in der Pubertätnur am Wandern Lust hat, hat irgendwie einen an derKlatsche. In diesem Alter ist was anderes wichtig.  


Was hat Sie wieder zum Wandern gebracht?

Der FC.


Wie bitte? Wer bitte?

Mein zweites großes Hobby ist Fußball. Für Kölner ist dannzwangsläufig der FC der Mittelpunkt dieses Hobbys. DerFC Köln! Dem bin ich zu den Auswärtsspielen gefolgt. NachAue, nach Bielefeld, wohin es einen treuen Fan so treibt.

Der FC Köln spielte ja damals …

... in der 2. Liga. Jetzt ist er wieder erstklassig und großartig.Damals brachten mich die Spiele oft in tolle Gegenden.Ich habe das damals irgendwie als Verbrechen empfunden,mir im Erzgebirge nur das Spiel anzugucken undwieder nach Hause zu fahren. Also habe ich mir ein bisschenmehr Zeit genommen und bin dort gewandert.


Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem strammen
Spaziergang und einem entspannten Wandern?

Manche sagen, wenn man einen Rucksack auf hat, ist eseine Wanderung, wenn nicht, dann nicht. Das ist natürlichQuatsch. Ich kann auch 30 Kilometer ohne Rucksackgehen, wenn ich weiß, dass ich gut verpflegt bin. Danngibt es die Definition, die Länge und Zeit als Maßstabanlegt. Eine zwei stellige Kilometerzahl ist dann auf jedenFall eine Wanderung. Zeitlich betrachtet wären das nichtunter zwei Stunden. Aber so richtig stimmt das auch nicht.Ich habe schon Wanderungen mit Kindern gemacht – mit8 Kilometern. Mein Kriterium ist, wenn man richtig in dieNatur geht, dann ist es eine Wanderung.


Ist eine Waldwanderung eine Kategorie für sich?

Für mich auf jeden Fall. Ich bin ein Wald-Fan. Es gibt aberauch „die Blicke-Fanatiker“, die sind unglücklich, wennsie nicht den weiten Blick zum Horizont haben. Mirreicht der Blick bis zur nächsten Biegung des Waldwegs.Ich fühle mich im Wald sehr wohl, vor allem in einemabwechs lungsreichen Wald …


Es muss also ein Laubwald sein?
 

Ein Mischwald ist schon schön. Obwohl – es geht ja nichtnur um den Blick, sondern um das sinnliche Gesamterlebnis.Auch um den Geruchssinn. Da haben Nadelwälder,gewisser maßen, die Nase vorn! 


Der olfaktorische Reiz des Nadelwalds.

Genau, die riechen toll. Was auch zum sinnlichen Erlebengehört, ist das Gehgefühl. Es gibt für mich nichts Herrlicheres,als über Wege zu gehen, die dicht benadelt sind,die werden dann zu einem federnden Teppich. Wunderbar.


Das Wandern boomt ja. Herr Kerkeling hat das
Wandern …

Harpe Kerkeling ist gepilgert, nicht gewandert. Abgesehendavon ist der Jakobsweg ja auf langen Strecken nichtwirklich ein Wanderweg. Da kann ich auch an einer Bundesstraße lang wandern.


mit spirituellem Erlebnissen verbunden. Haben Sie das
bei Waldwanderungen auch erlebt?

Ja.


Sind Sie da zu neuen Erkenntnissen gekommen?

Nein.



Kein bisschen?

Natürlich ist es ein erhabenes Gefühl, durch einen Wald zugehen, gerade wenn da sehr hohe Bäume sind und dann soein Lichtstreifen durchfällt. Da ist natürlich das Bild vom Waldals Dom sehr schnell da. Diese spirituelle Wandlung, die Leuteauf Pilgerwegen machen, ist allerdings nicht so mein Ding.

 

Wie deutsch ist denn das Wandern?

Sehr deutsch – im positiven Sinne. Es waren ja die deutschenRomantiker, die die Kutsche verschmähten und statt dessenden Ranzen geschnürt haben, um zu wandern.Sehr deutsch – auch im positiven Sinne – ist unser Wanderwegenetz.Auch die Pflege der Wanderwege ist toll.Diese Infrastruktur gibt es meines Wissens in keinem anderenLand der Welt. Österreich oder die Schweiz vielleicht ausgenommen. Und nicht zuletzt das „deutsche Wetter“. Zum Wandern ideal.


Wandern Sie lieber allein?

Es kommt drauf an, mal so, mal so. Am liebsten wandere ich mit ein oder zwei Leuten. Beim Wandern kann man sich wunderbar unterhalten. Die Gedanken sind im Fluss, man ist in Bewegung, man hat eine wunderschöne Natur, man hat vor allem Ruhe. Und man hat Zeit. Nicht eine halbe Stunde, nicht eine Stunde, sondern mehrere Stunden. 


Da kann man auch mal ruhig eine Gesprächspause
machen.

Richtig. Man kann auch mal schweigend nebeneinander gehen. Und ein bisschen sinnieren. Ich wandere auch sehr gerne allein. Dann hänge ich meinen Gedanken nach. Und komme auf gute Ideen. Wenn es mich also mal juckt, mich selbst mal wieder zu treffen, dann mache ich eine kleine Halbtagswanderung am Vormittag. Und bin am Nachmittag wieder sehr zufrieden zurück. 


Reizt es Sie auch, außerhalb Deutschlands zu wandern?
Welche Regionen würden Sie gerne erkunden?

Es gibt immer wieder Leute, die sagen: Du musst mal ins Riesengebirge, du musst mal richtig in den Böhmischen Wald, du musst mal auf Madeira wandern, auch Teneriffa ist schön. Wenn es sich ergibt, gerne, aber gezielt Europa abwandern, nö. Wenn ich allerdings in einem anderen Land bin, dann müssen zwei Tage Wandern drin sein. Für mich wäre es undenkbar, in ein Land zu fahren und da „nur“ Sightseeing oder Urlaub zu machen.   Sie haben die Wanderschuhe immer mit?   Die Joggingschuhe. Ich wandere in Joggingschuhen. 


Nicht wahr! Dürfen wir das schreiben?

Ich habe mir die Joggingschuh-Absolution von Peter Haberer geholt; der war in der Seilschaft von Reinhold Messner, Erstbesteigung Mount Everest ohne Sauerstoff. Und wie viele seiner Kollegen geht er mit halbhohen Berg- bzw. Joggingschuhen in den Alpen. Begründung: Man hat in hohen Wanderschuhen weniger Gefühl. Mir geht das auch so. Irgendwann habe ich gedacht, na, das ist ja jetzt nur eine kleine Wanderung, da gehst du schnell mal mit Joggingschuhen. Und plötzlich merkte ich, das ist viel bequemer und ich hatte ein besseres Gefühl im Fuß. Die anderen gucken, natürlich. Da kommt der Andrack und wandert mit Joggingschuhen. Aber, wie gesagt, ich habe mir von höchster Stelle die Absolution geholt.
 

Wie halten Sie es mit den Walking-Stöcken?

Die sind für Menschen gut, die ein bisschen älter sind und Gelenk- oder Hüftprobleme haben. Da sind die Stöcke sehr entlastend. Ansonsten ist es für mich eher ein ästhetisches Problem. Diese Nordic-Walking-Exerzierübungen, die da in den Wäldern stattfinden, finde ich furchtbar. Nordic Walking kommt vom Langlauf und ist eigentlich hoch sportlich. Das Ratsch-ratsch-Geschlurfe in den Wäldern finde ich furchtbar. 

Wenn Sie im Wald wandern, haben Sie Ahnung von Flora und Fauna?

Nein, überhaupt nicht. Da bin ich die totale Niete. Na ja, Buche geht. Birke geht auch. Bei Eiche habe ich schon Probleme. Farn kann ich erkennen. Ich bin wirklich kein „Pflanzenbestimmungs-Botanik-Freak“. Obwohl ich es toll finde, wenn bei Gruppenwanderungen einer dabei ist, der alles erklären kann.


Wie steht es mit den Kenntnissen der Fauna?

Ich erkenne ein Eichhörnchen.


Wozu oder für wen ist denn Ihrer Meinung nach der
Wald da?

Erst mal ist der Wald natürlich für sich da und ich finde es ganz toll – platt gesagt – dass wir ihn haben. Wald ist ja keine Selbstverständlichkeit. Die Wälder, wie wir sie vorfin den, mussten ja erst mal so „gebaut“ werden. Ich habe des halb großen Respekt vor der Forstwirtschaft. Waldarbeit ist harte Arbeit. Von wegen „Förster im Silberwald“. Die Männer und Frauen, die draußen im Wald arbeiten, machen einen guten Job. Das ist wirklich ein ehrenwerter und für die Gemeinschaft außerordentlich wichtiger und nützlicher Beruf. Hut ab. 


Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Waldschützer auf die Idee kämen,
nicht nur „Wald vor Wild“, sondern auch „Wald vor Wanderer“ zu postulieren?

Das wäre ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Weil damals die Wälder fast alle in Privatbesitz oder, besser gesagt, in Herrschaftsbesitz waren. Königliche Wälder, fürstliche Wälder. Da konnte man nicht einfach daher wandern. Die Bürger haben lange genug dafür gekämpft, dass der Wald Gemeineigentum geworden ist. Und das, finde ich, sollte so bleiben. Also: Wald frei. 

Apropos: frei. Was halten Sie von den Nackt-Wanderungen, die in Mode zu kommen scheinen?

Das ist total albern. Da können sich Anhänger noch so lange darin ergehen, wie großartig und natürlich das sei. Das ist nackte Freikörperkultur-Ideologie. Auch hier würde ich ästhetische Gesichtspunkte geltend machen. Das Geschlackere! Bei den Frauen oben, bei den Männern unten. Das muss nicht sein. Da fliegen ja die Vögel weg. 


Was gefällt Ihnen zur Zeit nicht am Wanderboom?

Es gibt mittlerweile ein paar Wegstrecken, die sehr populär geworden sind in letzter Zeit. Da muss man davon abraten, sie an einem schönen Wochenende im Mai zu gehen. Da fühlt man sich wie in der Fußgängerzone. Das sind Übertreibungen, wie jeder Boom sie mit sich bringt. Andererseits ist das Angebot an Möglichkeiten zum Wandern enorm gestiegen. In Deutschland gibt es kaum eine Region, in der man nicht richtig schön wandern kann. Auch die Qualität von Wanderwe gen hat sich enorm verbessert. Daran kann man mal sehen, wozu gute Bücher übers Wandern gut sind. 

Das Interview mit Manuel Andrack ist im neuen Magazin der Bayerischen  Staatsforsten erschienen.